Kläranlagen sind gemäß einer Studie des Umweltbundesamtes für rund 1 % des bundesweiten Stromverbrauchs verantwortlich. Was sich zunächst nach einem sehr geringen Prozentsatz anhört, bietet aus Sicht des einzelnen Kläranlagenbetreibers jedoch ein hochattraktives Einsparpotenzial. Ein typisches Beispiel für das Einsparpotenzial in Kläranlagen ist die Beckenbelüftung. So gelingt es durch den Einsatz hochmoderner Gebläsetechnologien und einer bedarfsgerechten Steuerungstechnik beispielsweise mit vergleichsweise geringem Aufwand, den energieintensiven Prozess der Beckenbelüftung energetisch zu optimieren und die Wirtschaftlichkeit des Klärbeckens signifikant zu steigern.
Dieser Ansatzpunkt ist gerade für Städte und Gemeinden hochinteressant. Ein Blick auf den Energiebedarf kommunaler Klärbeckenbetreiber zeigt, dass Kläranlagen in Städten und Gemeinden einen beachtlichen Anteil von rund 20 % am gesamten Stromverbrauch einnehmen. Im Vergleich zu Schulen, Krankenhäusern, Wasserversorgungssystemen oder anderen kommunalen und städtischen Energieverbrauchern spielt die Wasseraufbereitung also eine ganz entscheidende Rolle.
Das Energieeinsparpotenzial von Kläranlagen wird jedoch häufig unterschätzt. Viele Kläranlagen werden auch heute noch mit ungeregelten und ineffizienten Belüftungsanlagen betrieben, die für einen Großteil des gesamten Stromverbrauchs verantwortlich sind. Aus heutiger Sicht ist die ungeregelte und nicht bedarfsgesteuerte Belüftung in Kläranlagen jedoch technisch veraltet. Schon seit einigen Jahren sind auf dem Markt hocheffiziente Anlagen wie Turbogebläse, Drehkolbengebläse und Drehkolbenverdichter verfügbar. Diese bieten nicht nur für sich gesehen eine höhere Effizienz und können in einem breiten Teillastbereich betrieben werden, sondern können im Sinne einer optimalen Gesamteffizienz sogar zusammen betrieben werden. Damit ist es möglich, optimal auf Laständerungen im Bedarfsprofil eines Klärbeckens zu reagieren und die Energiekosten nachhaltig zu senken.
In unserem Ratgeber gehen wir nicht nur auf die Bedeutung der Belüftungstechnik für die Wirtschaftlichkeit von Kläranlagen ein, sondern zeigen auch das Potenzial bedarfsgerechter Gebläsetechnologien auf. Darüber hinaus zeigen wir, wie Klärbeckenbetreiber ihr Belüftungsbecken von der ersten Analyse bis zur Verbundsteuerung energetisch optimieren können.
Die Bedeutung der Belüftungstechnik für die Wirtschaftlichkeit von Klärbecken
Jährlich verbrauchen Kläranlagen eine gigantische Strommenge von rund 4.400 Gigawattstunden (GWh). Das entspricht in etwa der Jahresleistung eines modernen Kohlekraftwerks und einer jährlichen CO2-Erzeugung in Höhe von rund 3 Millionen Tonnen. Von einer Steigerung der Energieeffizienz in der Kläranlage profitiert also nicht nur der Betreiber der Kläranlage – häufig ist das die Stadt oder die Gemeinde – sondern auch die Umwelt.
Wenn es darum geht, die Prozesse in Kläranlagen energieeffizienter zu gestalten, steht die Belüftung im Mittelpunkt der Überlegungen. In vielen Fällen beträgt der Energiebedarf der im Belebungsbecken installierten Gebläse 60 bis 80 Prozent des Gesamtbedarfs. Doch welche Bedeutung hat die Belüftungstechnik eigentlich für die Kläranlage?
Belebungsbecken sind die wichtigste Reinigungsstufe von Kläranlagen. Hier wird mithilfe von Belüftungssystemen gezielt Luftsauerstoff in das Becken geleitet, um das Wachstum von aeroben Mikroorganismen zu fördern. Durch diese Mikroorganismen werden organische Schadstoffe abgebaut und schadstoffabsorbierender Belebtschlamm aufgebaut – anschließend wird dieser Belebtschlamm dann im Nachklärbecken von dem gereinigten Abwasser getrennt und in das Belebungsbecken zurückgeführt oder als Klärschlamm verwertet. Darüber hinaus ist der eingebrachte Sauerstoff dafür verantwortlich, den im Abwasser befindlichen Ammoniumstickstoff zu Nitrat zu oxidieren und dadurch auf die Entfernung durch Mikroorganismen vorzubereiten.
Der Energieverbrauch von Kläranlagen wird üblicherweise in der Einheit Kilowattstunden pro Jahr pro EGW angegeben, wobei EGW für Einwohnergleichwert steht. Typischerweise sinkt dieser Wert mit zunehmender Größe der Kläranlage, da Skaleneffekte genutzt werden können. Das Umweltbundesamt stellt Größenordnungen zum Stromverbrauch von Kläranlagen bereit, die zur Orientierung herangezogen werden können:
EW | SPEZIFISCHER Spezifischer Stromverbauch | |
---|---|---|
Größenklasse 1 | < 1.000 | 75 kWh/(EGW x a) |
Größenklasse 2 | 1.000 – 5.000 | 55 kWh/(EGW x a) |
Größenklasse 3 | 5.000 – 10.000 | 44 kWh/(EGW x a) |
Größenklasse 4 | 10.000 – 100.000 | 35 kWh/(EGW x a) |
Größenklasse 5 | > 100.000 | 32 kWh/(EGW x a) |
Interessant ist, dass die Kläranlagen der Größenklassen 4 und 5 trotz ihres geringeren spezifischen Energiebedarfs für rund 87 Prozent des gesamten Stromverbrauchs verantwortlich sind. Kläranlagen dieser Größe machen nur etwa 22 Prozent der rund 10.000 Kläranlagen aus, sind aber für über 90 Prozent der Einwohnergleichwerte verantwortlich.
Die biologische Reinigung und die Nachklärung stellen in einer typischen Kläranlage den größten Anteil des Energiebedarfs dar. Aber auch andere Verfahrensschritte erfordern elektrische Energie:
- Biologische Reinigung und Nachklärung 67 %
- Schlammbehandlung 11 %
- Flockungsfiltration 8 %
- Infrastruktur und sonstige Verbraucher 6 %
- Abwasserhebewerk 5 %
- Mechanische Reinigungsstufe 3 %
Bei der energetischen Optimierung der Abwasserbehandlung steht aus diesem Grund vor allem die biologische Reinigungsstufe im Fokus. Eine umfassende Analyse zu 85 Kläranlagen in Nordrhein-Westfalen hat gezeigt, dass Maßnahmen zur Optimierung im Belebungsbecken besonders wirksam waren: Sie brachten in etwa doppelt so hohe Einsparungen wie Maßnahmen in anderen Bereichen.
Die Möglichkeiten zur technischen und energetischen Optimierung der biologischen Reinigungsstufe sind vielfältig. Sie reichen vom Austausch des Gebläsesystems über die gezielte Verbesserung der Betriebsführung und die Vermeidung von Druckverlusten bis zur Investition in hocheffiziente Pumpentechnik mit geringer Verstopfungsanfälligkeit.
Grundlast, Spitzenlast und Schwachlast – mit moderner Belüftungstechnik bedarfsgerecht versorgen
Die Belebungsbecken von kommunalen und industriellen Kläranlagen sind in hohem Maße durch ein fluktuierende Lastprofile gekennzeichnet. Durch fluktuierende Mengen an Abwasser im Tagesverlauf, wechselnde Niederschlagsmengen, saisonale Effekte und unterschiedliche Verschmutzungsgrade im Abwasser entsteht ein schwankendes Bedarfsprofil, das teils sprunghafte Lastwechsel aufweist. Darüber hinaus sind jahreszeitbedingte Temperaturunterschiede zu berücksichtigen, die ebenfalls einen Einfluss auf die benötigte Menge an Luftsauerstoff im Belebungsbecken haben.
Moderne Konzepte zur Belüftung von Belebungsbecken zielen daher darauf ab, dem fluktuierenden Bedarfsprofil der Kläranlage mit der jeweils effizientesten Belüftungstechnologie für den individuellen Fall zu entgegnen. So können die Vorteile von Turbogebläse, Drehkolbengebläse und Drehkolbenverdichter gezielt genutzt werden, um die Belüftungsanlage sowohl bei Grundlastbedarf als auch bei Spitzen- und Schwachlastbedarf in effizienten Betriebspunkten zu betreiben.
Während die Turbomaschine z.B. konstruktionsbedingt einen hervorragenden Wirkungsgrad hat, kann die Verdrängermaschine in einem weiten Teillastbereich mit guten Wirkungsgraden eingesetzt werden. Wenn die Vorteile beider Technologien genutzt werden, entsteht ein Belüftungskonzept, das sich ideal auf die individuellen Anforderungen der Kläranlage zuschneiden lässt und die bestmögliche Lösung für den Kunden darstellt.
Die Firma AERZEN hat aus diesem Grund ein Verbundkonzept entwickelt, das die maßgeschneiderte und höchsteffiziente Bereitstellung von Sauerstoff zu jedem Zeitpunkt ermöglicht. Die drei Produkte, die auch unter dem einprägsamen Namen "Performance³" bekannt sind, ermöglichen es den Betreibern von Kläranlagen, die bestmögliche Effizienz mit maximaler Betriebssicherheit, Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit zu verbinden.
Die drei Baureihen sind speziell für die bedarfsgerechte Versorgung von Grund-, Spitzen- und Schwachlasten konzipiert. Die Turbogebläsebaureihen AT und TB zeichnen sich durch einen hervorragenden Wirkungsgrad im Auslegungspunkt aus und werden daher vor allem im Grundlastbereich eingesetzt. Zur Erzeugung von Spitzen- und Schwachlasten setzt AERZEN hingegen auf die regelbaren Drehkolbengebläse der Baureihe Delta Blower und die Drehkolbenverdichter vom Typ Delta Hybrid.
Die technischen Daten des Performance³ Portfolios im Überblick:
Technologie | Baureihe | Volumenstrom | Druckbereich | Regelbereich |
---|---|---|---|---|
Turbogebläse | AT und TB | 300 – 16.200 m³/h | 400 – 1.000 mbar | 40 – 100 % Drehkolbengebläse |
Drehkolbengebläse | Delta Blower | 30 – 15.000 m³/h | -500 – 1.000 mbar | 25 – 100 % |
Drehkolbenverdichter | Delta Hybrid | 110 – 9.000 m³/h | -900 – 1.500 mbar | 25 – 100 % |
Schritt für Schritt zum effizienten Klärbecken
Um das energetische Verbesserungspotenzial der Belüftungstechnik in Klärbecken fundiert bewerten zu können, ist zunächst eine detaillierte Analyse der vorhandenen Belüftungstechnik sowie des Lastprofils erforderlich. Durch umfangreiche Messungen und Analysen gelingt es, das Potenzial von energetischen Modernisierungsmaßnahmen zu identifizieren und zu quantifizieren. Mit der innovativen Dienstleistung AERaudit aus dem Hause AERZEN gelingt es, die Auslastung und Wirtschaftlichkeit von Gebläsestationen gezielt zu optimieren.
Im Anschluss an diese Analysephase geht es darum, das Belüftungskonzept mithilfe einer übergeordneten Steuerung umzusetzen. Systeme wie die innovative Maschinensteuerung AERsmart von AERZEN sind in der Lage, die Luftmengen optimal auf die Technologien und deren individuelle Wirkungsgrade zu verteilen und so den Wirkungsgrad der Anlage nachhaltig zu steigern und in die Nähe des theoretischen Optimums zu bringen. Allein durch die Optimierung der Steuerung lässt sich ein beachtliches Einsparpotenzial von bis zu 15 % realisieren. Dabei können nicht nur die hauseigenen Performance³-Baureihen, sondern auch Fremdfabrikate gesteuert werden.
Das einzigartige Merkmal der Verbundsteuerung AERsmart ist die Fähigkeit, den erforderlichen Sauerstoffbedarf jederzeit so auf die Maschinen zu verteilen, dass jeder Lastpunkt im effizientesten Betriebspunkt gefahren werden kann. Die Steuerung greift dabei auf die jeweiligen Kennfelder und Wirkungsgrade der Gebläse zurück und wählt jeweils die Kombination aus Gebläsetechnologien aus, die für den aktuellen Betriebspunkt ideal geeignet ist.
Ressourcenschonende Abwasseraufbereitung am Beispiel Holzkirchen
Das Beispiel der Kläranlage in Holzkirchen zeigt eindrucksvoll auf, wie Abwässer nicht nur gründlich, sondern auch umweltfreundlich und ressourcenschonend gereinigt werden können. Die Kläranlage bei München ist für rund 50.000 EGW zuständig und verbraucht jährlich rund 500.000 kWh Strom. Durch die Einbindung der Verbundsteuerung AERsmart ist es in der Kläranlage Holzkirchen gelungen, die Vorteile verschiedener Gebläsetechnologien ideal zu nutzen. Das Ergebnis: eine Energieeinsparung von etwa 10 % und eine Verringerung des jährlichen Strombedarfs um etwa 50.000 kWh.