Knauf
Pneumatische Förderung: Knauf und Iss setzen auf Schraubenverdichter von AERZEN
Die Energiewende wird die Gipsindustrie in Zukunft zunehmend von Natursteinvorkommen abhängig machen. Die gesamte Branche befindet sich im Umbruch, denn den in den Entschwefelungsanlagen der Braunkohlekraftwerke produzierten REA-Gips wird es bald nicht mehr geben, weil die Kraftwerke stillgelegt werden. Andererseits werden die Anwendungsmöglichkeiten von Gips immer vielfältiger: Feuerhemmende oder wasserabweisende Gipskartonplatten, Gips, Fließestrich und Gipsfaserplatten sind nur einige der Anwendungen im Baugewerbe. Keine Industrie kommt mehr ohne Gips aus. Umso wichtiger ist es für führende Hersteller wie Knauf, mit begrenzten Rohstoffen sparsam umzugehen.
Der Hunger nach Gips
Knauf führt im Werk Rottleberode etwa den bei der Herstellung von Gipsfaserplatten entstehenden Kantenbruch genauso in den Materialfluss zurück wie die Stäube beim Schleifen der Oberflächen. „Jeder Krumen Gips ist für uns wichtig. Deshalb soll nichts mehr bei der Produktion entsorgt werden“, betont Werkleiter André Materlik. Sein Betrieb ist innerhalb der Knauf-Gruppe der einzige, der ausschließlich Naturgips aus den Steinbrüchen im Südharz verarbeitet. Branchenexperten vertreten angesichts des Ausstiegs aus der Braunkohle die These, dass nur die Unternehmen bestehen, die sich Abbauflächen langfristig erschließen und sichern. Zumal: Die Nachfrage nach Gips ist allein in Deutschland mit jährlich zehn Millionen Tonnen groß. Nach Angaben von Materlik verlassen jährlich rund 450.000 Tonnen Fertigprodukte das Werk in Rottleberode, das sind etwa 100 Lkw-Ladungen pro Tag.
Stuckgips, feine Zellulose aus Altpapier und Wasser: Das ist die Mischung, aus der Gipsfaserplatten hergestellt werden. Für die Versorgung der Mischer kommen Blasanlagen zum Einsatz, die die ISS Schüttguttechnik GmbH aus Wilnsdorf im Siegerland projektiert und baut. ISS hatte bereits vor dem Neubau des Faserplattenwerks bei Knauf einen guten Job gemacht und hierbei unter anderem die Probleme beim Fördern und Dosieren von Braunkohlestaub überzeugend in den Griff bekommen. Der Brennstoff entwickelt die nötige Hitze für das Kalzinieren der Rohsteine. Dabei verliert der Naturgips einen Großteil seines Kristallwassers. „Für gleichmäßige thermische Prozesse ist die konstante Förderung der Braunkohle ohne Druck- oder Volumenschwankungen unabdingbar“, erklärt der Werkleiter. Jede Abweichung von der Ideallinie sei spürbar: Bei der Produktqualität des Stuckgipses, den Ablagerungen in der Kalziniermühle, den CO-Werten im Abgasstrom oder auch beim Energieverbrauch der Schraubenverdichter. „Gleichmäßige Prozesse brauchen weniger Luft“, weiß ISS-Vertriebsgeschäftsführer Robert Partzsch aus Erfahrung zu berichten.
Prozesssicher mit hohem Wirkungsgrad
Bei der Stuckgipsförderung legt ISS deshalb auch sein gesamtes Know-how in die Entwicklung einer Gesamtlösung, die in Rottleberode gemeinsam mit den Anlagenplanern der Knauf Engineering GmbH entstanden ist. Das Unternehmen unter dem Dach von Knauf hat von Iphofen aus den kompletten Neubau geplant und hierbei auch die Fördertechnik beauftragt. Dabei lagen die Hauptaugenmerke auf der Prozesssicherheit, der Langlebigkeit und der Energieeffizienz. „Für die Schraubenverdichter von AERZEN spricht der hohe Wirkungsgrad“, sagt Partzsch. Zudem empfiehlt sich die Reihe Delta Screw mit ihrem Druckbereich, der ideal für den Transport von Stuckgips geeignet sei.
Wichtig zu wissen ist, dass nach den Erfahrungen des ISS-Geschäftsführers bei der pneumatischen Förderung von Schüttgütern häufig zunächst Druckluft mit 5 bis 6 bar erzeugt wird, um einen Druckluftbehälter zu speisen. Dieser stellt dann den oftmals deutlich niedrigeren Förderdruck zur Verfügung. „Zwischenpufferungen haben immer Energieverluste zur Folge“, unterstreicht Thomas Koch, Leiter technische Mechanik im Südharzer Knauf-Werk. Als Beleg für diese Aussage ist der Joule-Thomson-Effekt zu nennen. Jede Erhöhung des Drucks um 100 Millibar führt zu einem Temperaturanstieg in der komprimierten Luft von 10 Grad Celsius, was auf die erhöhte Reibung der Moleküle zurückzuführen ist. Die Auswirkungen dieses physikalischen Zusammenhangs lassen sich begrenzen, wenn auf Windkessel – so wie bei Knauf – verzichtet wird. Da aber bei der pneumatischen Förderung der Anfall thermischer Energie nicht ganz zu verhindern ist, nutzt Knauf diese im Winter mit einer Rückgewinnung für Heizzwecke.
Unnütze Energie erst gar nicht verbrauchen
Angesichts der Tatsache, dass es immer besser ist, Strom erst gar nicht zu verbrauchen, statt ihn später aufwändig als Wärme zurückzuführen, muss gerade in der energieintensiven Druckluft das Ziel lauten, Verdichter einzusetzen, die den geforderten Volumenstrom ohne Zwischenspeicherung mit exakt dem notwendigen Druck liefern. „AERZEN ist im Bereich von 2 bis 3,5 bar einfach führend“, stellt Partzsch fest und ergänzt: „Warum soll ich 6 bar erzeugen, wenn ich nur 3 bar brauche?“
Die Delta Screw-Aggregate vom Typ VM21 mit einer Motorleistung von 90 kW liefern einen Volumenstrom von 1.200 Kubikmetern pro Stunde. Der Maximaldruck beträgt 3,5 bar. Die bei Knauf eingebaute Generation 5 der Delta Screw Baureihe sind von AERZEN als Universalmaschinen konzipiert – mit einem großen Augenmerk auf Effizienz. Entwickelt als flexibler Baukasten lassen sich die unterschiedlichen Verdichtereinheiten mit Motoren variierender Leistung sowie dem umfangreichen Zubehörprogramm passend konfigurieren. Einstellmöglichkeiten des Riemenantriebs schaffen dabei beispielsweise die Grundlage, den Volumenstrom auch bei Festdrehzahlen passgenau einzustellen – dies mit dem Ziel, energieintensiv erzeugte Überschüsse zu verhindern. Dieser Anspruch findet sich ebenfalls wieder im Verzicht auf Redundanz. Verdichter und Fördersystem arbeiten so verlässlich, dass auf gesonderte „Backup-Technik“ verzichtet werden kann. „Die Anlage ist ausgelegt für zwölf Tonnen Gips in der Stunde“, sagt Thomas Koch. Geht ein Aggregat vom Netz, sorgt eine temporär geschaltete Bypasslösung für Versorgungssicherheit. „Generell sieht unser Aufbau aber vor, dass ein Verdichter immer eine Anlage bedient.“
Fazit
Die im Zuge des Neubaus des Faserplattenwerks von Knauf im Südharz neu gebauten Blasanlagen zur pneumatischen Förderung von Stuckgips zeigen, worauf es heute bei dieser verlustreichen und damit teuren Energie ankommt: Effizienzsteigerung durch hohen Wirkungsgrad und optimale Auslegung auf den Betriebspunkt. Knauf verfolgt deshalb bei der Ausrüstung seiner Werke einen klaren Systemgedanken. „Es ist die Kombination aus naturwissenschaftlichen und technischen Kenntnissen, die die Lösung von ISS ausmacht. Hier ist alles im Einklang“, freut sich Werkleiter André Materlik.