Ausgabe 03/2018 Artikel und Compact News

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  -   Artikel Gebläse müssen ran ans Becken

Kläranlage Aachen-Soers modernisiert die Belebung und dezentralisiert die Belüftung

Picture of the Central bridge the Aachen-Soers wastewater treatment plant

Mit einer ganzheitlichen Optimierung ist es in der Kläranlage Aachen-Soers gelungen, den enormen Energiebedarf der Belebung um rund 55 Prozent zu senken. Hierbei ersetzen unter anderem Drehkolbenverdichter mit ihrer hohen Energieeffizienz über einen weiten Stellbereich die in die Jahre gekommene Turbotechnik. Alle Maschinen vom AERZEN Typ Delta Hybrid haben zudem die gewohnte Umgebung zentraler Maschinenräume verlassen und stehen unter einem langen Schleppdach direkt am Becken. Damit sinken die Leitungsverluste aufgrund kurzer Rohrleitungen auf ein Minimum.

Wurm heißt der Vorfluter der Kläranlage Aachen-Soers. Und es ist gar nicht so lange her, dass der kleine Fluss an der Grenze zu Belgien im 20. Jahrhundert nur stark verschmutztes Wasser transportierte. Dies stammte aus den Abwässern der Zechen im ehemaligen Aachener Steinkohlerevier. Gerade mal 53 Kilometer lang ist der Nebenfluss der Rur (nicht zu verwechseln mit der Ruhr). Davon sind weite Strecken kanalisiert oder begradigt. Aufgrund seiner Kies- und Sandanlandungen genießt der Wurm heute einen Stellenwert im Naturschutz durch kleinräumige Ökosysteme, in denen sich gerne seltene Vogelarten wie beispielsweise der Flussuferläufer und Wasserpieper heimisch fühlen.

Bundesweiter Vorzeigebetrieb

Dieser wertvolle Lebensraum ist letztlich dadurch entstanden, dass der Wurm seinen Abwassercharakter verloren hat, auch wenn die Wassermenge des Flusses zu etwa 80 Prozent aus den Einleitungen von Kläranlagen stammt. Und genau diese Besonderheit ist es, die die Anrainer zu Höchstleistungen treibt, wenn es um Einleitungswerte in diesen Vorfluter geht. „Wir setzen sehr gute Technik innerhalb sehr guter Verfahren ein“, meint Thomas Zobel, Unternehmensbereichsleiter Abwasseranlagen beim Wasserverband EifelRur (WVER). Die Kläranlage Aachen-Soers gehört zum WVER-Versorgungsgebiet und zählt bundesweit zu den Vorzeigebetrieben in puncto Einlasswerte, vierter Reinigungsstufe sowie Energieeffizienz. 800 Liter leitet die Kläranlage AachenSoers pro Sekunde in den kleinen Fluss ein, der vor dem Vorfluterbereich gerade einmal einen Wasserdurchfluss von 200 Liter pro Sekunde misst. Aachen-Soers zählt mit einer Kapazität von 458.000 Einwohnergleichwerten zu den Kläranlagen der Klasse 5, die laut Thomas Zobel „normalerweise in Vorfluter einleiten, die die Größe des Rheins haben“. In diesem besonderen Fall muss die Qualität des gereinigten Wassers dementsprechend High-End sein, damit der kleine Fluss keine Probleme bekommt. Das Team um Thomas Zobel und seinen Abwassermeister Nils Brand haben aus diesen Rahmenbedingungen einen Ehrgeiz entwickelt, der bundesweit Schule macht. Der Ammoniumgrenzwert liegt beispielsweise bei 0,01 mg pro Liter. „Andere Anlagen mit deutlich größeren Vorflutern sind ganz andere Zahlen gewohnt“, meint Brand. Damit die sehr guten Grenzwerte – der für PO4 liegt bei 0,1 mg/l – nicht zu Lasten der Energiekosten gehen, hat die Kläranlage Aachen-Soers im Rahmen einer Kapazitätserweiterung ein ganzheitliches Optimierungskonzept entwickelt und dafür einen zweijährigen Großversuch gestartet. Die Anlage bietet dafür ideale Bedingungen.

Feldversuch im großen Maßstab

Von den sechs zur Verfügung stehenden Belebungsstraßen ließ sich eine für den Feldversuch nutzen. Nach der von der RWTH Aachen wissenschaftlich begleiteten Phase stand fest, dass es nicht zu einem 1:1-Austausch der abgängigen zehn alten Getriebeturbos eines anderen Herstellers und Keramiklüfterplatten kommen wird. Auch die zentralisierte Versorgung der Belebung mit Sauerstoff aus zwei Maschinenräumen heraus sollte der Vergangenheit angehören. „Die Gebläse müssen ran ans Becken, damit wir die Rohrleistungsverluste reduzieren“, bringt es Thomas Zobel auf den Punkt. Durch die Außenaufstellung herrschen zudem optimale Ansaugbedingungen für die Maschinen – und damit sehr gute Voraussetzungen für die bestmögliche Sauerstoffsättigung der Belebungsbecken. Auch dies trägt seinen Teil zur Steigerung der Energieeffizienz bei, da sich die Laufzeit der Maschinen durch diese Effektivität in der Sauerstoffversorgung verkürzt. Im Rückschluss ist mit dieser Innovation die Zeit der alten Turbogebläse mit Leitschaufelverstellung vorbei. Sie sind durch die extrem hohen Wartungskosten sowie den energetisch unwirtschaftlichen Betrieb im Teillastbereich nicht mehr zeitgemäß und folgerichtig drehzahlgesteuerten Drehkolbenverdichtern der AERZEN Reihe Delta Hybrid gewichen. Zehn Aggregate vom Typ D 52 S und sieben Aggregate vom Typ D 36 S mit durchgängig gleicher Motorleistung von 55 und 45 kW stehen heute auf der Mittelbrücke der sechs Belebungsstraßen – aufgereiht wie an einer Perlenschnur. Je zwei Delta Hybrid sind jeder Straße direkt zugeordnet. Alle weiteren decken den erhöhten Luftbedarf bei der Nitrifikation ab und versorgen dabei jeweils zwei Straßen. 

Der bauartbedingt weite Regelungsbereich der Delta Hybrid Drehkolbenverdichter macht in der Kläranlage Aachen-Soers den Weg frei, die bedarfsgerechte Versorgung der Belebungsbecken mit Sauerstoff ohne Drosselklappen oder Schieber sicherzustellen. Wurde früher aus dem Sauerstoffgehalt eine Gleitdruckregelung abgeleitet, „regeln wir heute nach dem Stickstoffgehalt“, erklärt Nils Brand. Hierbei spielen Ammonium- und Nitratkonzentrationen genauso eine wichtige Rolle wie die Abwassermenge und der herrschende Sauerstoffgehalt. „Grob betrachtet, dosieren wir die Luft für jede Straße einzeln nach der Ammoniumfracht“, erklärt Thomas Zobel. Diese optimal auf die jeweiligen Prozessbedingungen in den einzelnen Straßen abgestimmte Versorgung sei mit einer zentralen Infrastruktur und Mengenaufteilung mit Drosseln und Schiebern nicht möglich gewesen. Die feineren Stellmöglichkeiten verbessern einerseits die Reinigungsleistung der Anlage und erhöhen anderseits spürbar die Energieeffizienz. Die elektrische Anschlussleistung der gesamten Kläranlage sank von 1.100.000 kWh in 2016 nach der Optimierung um knapp ein Drittel. Fokussiert sich der Blick auf den reinen Prozessbereich der Biologie, dann fällt die Effizienzsteigerung durch das neue Belüftungskonzept noch deutlicher aus: 720.000 kWh stehen heute 320.000 kWh gegenüber – was einem reduzierten Verbrauch von 55 Prozent entspricht. 

Keine Rücksicht auf Mindestmengen

Diese langfristigen Energieeinsparungen sind auch die Folge neuer Plattenbelüfter aus Polyurethan (PUR). „Diese lassen sich deutlich besser steuern und auch ganz vom Netz nehmen“, meint Abwassermeister Nils Brand mit Blick auf die alten Einheiten aus Keramik. Sie mussten dauerbelüftet werden, damit sie nicht verstopfen – was entsprechend hohe Energiekosten für den Standby-Betrieb zur Folge hatte. Indem heute keine Mindestbelüftungsmenge mehr notwendig ist, kann der komplette Stellbereich der Delta Hybrid Drehkolbenverdichter von AERZEN ohne Rücksicht auf Standby-Fragestellungen für die Regelung verwendet werden. Im Gegensatz zu den alten Turbogebläsen mit Leitschaufelverstellung, die rechts und links vom Nennbetriebsbereich schnell und massiv an Wirkungsgrad verlieren, arbeiten die Delta Hybrid über einen weiten Drehzahlstellbereich hinweg effizient.

Fazit

Energieeinsparungen werden in der Abwasserreinigung immer wichtiger. Kommunen und Verbände schauen immer mehr aufs Geld. Diese Aussage war auch in Aachen-Soers zu hören. Dabei herrscht aber Einigkeit, dass Effizienzverbesserungen nicht zu Lasten der Reinigungsleistung gehen dürfen. Dem gegenüber bieten gerade Kläranlagen, die aufgrund ihres Alters vor Modernisierungen stehen, reichlich Potenzial, bessere Werte sparsamer zu erreichen. Die intelligente Versorgung der Belebungsbecken mit Sauerstoff nimmt dabei im Zusammenspiel mit ganzheitlichen Prozessverbesserungen eine Schlüsselrolle ein. Die Kläranlage Aachen-Soers wurde durch diese Umbaumaßnahme auch zu einer internationalen Referenzanlage von German Water Partnership, einem renommierten Netzwerk der deutschen Abwasserbranche, die ausländischen Betreiber und Ingenieurbüros eine Besichtigung vor Ort ermöglicht. So wird erfolgreiche deutsche Technologie auch ins Ausland transferiert.

Compact news

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